Sonntag, 28. April 2024

30.11.2016
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Hatespeech ist nicht immer schlimm

Hatespeech ist nicht immer schlimm
Von Gideon Böss.

In den letzten Tagen kam es zu schweren Waldbränden in Israel und sehr vieles spricht dafür, dass sie vorsätzlich gelegt wurden. Doch die genauen Hintergründe davon sollen hier nicht das Thema sein, auch nicht die beeindruckende Unterstützung, die Israel weltweit im Kampf gegen die Flammen erhielt. Stattdessen soll es um #IsraelBurning gehen. Hinter diesem Hashtag versammelte sich der Online-Mob, um frei von jeder Rest-Empathie denen den Tod zu wünschen, die gerade evakuiert werden mussten.

In Sachen Menschenverachtung unterschieden sich die Veröffentlichungen unter diesem Hashtag höchstens in der Zahl der dafür vergebenen Likes. Das Video eines brennenden Menschen erhielt dabei wesentlich mehr Beifall als eine einfache antisemitische Beleidigung. Wer sich etwas Zeit nimmt, und sich die Beiträge unter #IsraelBurning ansieht, schaut in einen Abgrund aus Hass, Gewalt und Antisemitismus.

Erstaunlich ist, wie auf diesen Online-Mob reagiert wurde. Nämlich gar nicht. Wie kann das eigentlich sein in einer Zeit, in der vom Justizminister abwärts alle ein härteres Vorgehen gegen Hatespeech fordern? Was da in den letzten Tagen ablief, war die übelste Form von Hatespeech, die überhaupt möglich ist. Menschen so sehr zu hassen, dass man ihnen johlend den Feuertod wünscht, ist das Maximum. Mehr geht nicht. Wer das schulterzuckend übergeht, der sollte zumindest so viel Anstand haben, sich generell nicht mehr zum Thema Hatespeech zu äußern, weil er offenbar ein ausschließlich taktisches Verhältnis zum Thema hat.

Warum interessiert dieser Fall die ambitionierten Hatespeech-Bekämpfer nicht? Sind es die falschen Täter (praktisch nur junge Moslems) oder die falschen Opfer (Juden – wobei auch Tausende Christen und Moslems Opfer der Brände wurden, weil jeder fünfte Bewohner Israels kein Jude ist)? Oder gibt es einen ganz anderen Grund? Wer glaubwürdig gegen Hass vorgehen will, kann in so einer Situation jedenfalls nicht gleichgültig bleiben. Aber genau das haben fast alle getan, die sich zu anderen Gelegenheiten mit viel Empörung einsetzen und „Gesicht zeigen“.

Wenn sich sogar Minister gegen Hatespeech einsetzen und von den sozialen Netzwerken mehr Kooperation verlangen, muss um jeden Preis der Eindruck vermieden werden, dass dieser Einsatz im Grunde nur eine verdeckte Unterstützung der von der Regierung verfolgten Politik ist – schließlich ist ein Minister Teil der Regierung und keine unabhängige Instanz. Wenn vor allem dann auf eine zügige Verfolgung von Hass- und Gewaltaufrufen gedrängt wird, wenn diese sich gegen Flüchtlinge richten – und somit gegen Merkels Politik – verkommt der Kampf gegen den Hass im Netz zu bloßer Wahlkampfhilfe. Dafür sollte sich niemand hergeben. Durch das Schweigen zum #IsraelBurning-Mob hat die Politik jedenfalls eine Gelegenheit verpasst, ihrem Kampf gegen Hatespeech mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Gideon Böss veröffentlichte zuletzt das Sachbuch "Deutschland, deine Götter – Eine Reise zu Kirchen, Moscheen, Hexenhäusern". Der vorliegende Text ist zuerst auf seinem Blog "Böss in Berlin" erschienen.

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